01 April, 2016

Hot News April 2016

Eine 4-Song-EP bekommt man von etablierten Bands eher selten, so ist die jüngste Veröffentlichung von Element Of Crime als Rarität zu sehen: Die Band um Sänger Sven Regener zitiert sich hier mit Genuss selbst und liefert neben Neuaufnahmen alter EoC-Songs ("Damals Hinterm Mond") mit "Immer Noch Liebe In Mir" einen neuen Song, der Ohrwurm-Qualität aufweist - diese Ausbeute fällt mit 25% somit gut aus! Am 9. April geht eine große Tour durch Deutschland und Österreich los, von Mannheim und Rostock bis Wien (8.7.2016) und Hamburg.
Statt einer 4-Song-EP hat der in Wien lebende britische Singer-Songwriter Boxer John vor kurzem 4 CDs veröffentlicht, hier also die allmonatliche Boxer John-Review: Das Cover von "Blighty And Beyond" bildet England als eine nach allen Richtung ausgreifende Krake ab und die CD scheint eine Auseinandersetzung von Boxer John mit seinem Heimatland zu sein; wenn er davon singt, das Land zu retten, ist das aber weit entfernt von Trumps Rülpsern, Amerika wieder groß zu machen. Schöne Folk-Song, behutsam in Szene gesetzt.
Was als Ein-Mann-Projekt im Homercording begonnen hat, ist inzwischen zum Bandprojekt geworden: "Are Wading In The Shallows", die vierte Veröffentlichung von Songwriter Simon Usaty aka Protestant Work Ethic kombiniert Versatzstücke aus Indie-Folk und Bluegrass zu einer ganz eigenen Mischung. Toll: Das Duett mit Werner Kitzmüller ("Lots Of Luck"), mit dem sich Protestant Work Ethic in eine Reihe mit Nick Cave & Kylie Minogue stellen. Eine rundum gelungene Platte, die es dem Trend der Zeit entsprechend auf Vinyl mit beigelegter CD gibt - Platte des Monats.
Knapp geschlagen aber auch großartig ist die Scheibe "Those Old Demons" von Kirsty McGee and The Hobopop Collective. McGee hat vor kurzem als Ocotillo die Vorband für Son Of The Velvet Rat im Schwarzberg gegeben. Auf ihrer aktuellen CD ist auch Marc Ribot als Gitarrist dabei. "Ich habe Ribot immer bewundert, insofern kann ich es noch immer kaum glauben, dass er auf meiner Platte mitgespielt hat", sagt McGee irgendwann im Laufe dieses Abends. Man kann sich leicht vorstellen, was Ribot überzeugt hat: Schließlich gibt es bei den auf CD versammelten Songs durchaus Anknüpfungspunkte in Richtung Tom Waits. Folk kommt auch nicht zu kurz und so liegt ein kompaktes, überzeugendes Werk vor.
Ein brisantes, leider noch immer hoch aktuelles Buch liefert Navid Kermani, der im Herbst 2015 quer durch Europa gereist ist, von Mitteleuropa in die Türkei: Entstanden ist nach dieser Recherche-Reise das Buch "Einbruch der Wirklichkeit. Auf dem Flüchtlingstreck durch Europa." Es ist ein gut geschriebenes, beklemmendes Buch, das dorthin schaut, wo es weh tut und von fiebernden, frierenden Flüchtlingen in Europa berichtet - in deren Mitte in Belgrad: Ein Roma-Jugendlicher, ebenso sich selbst überlassen wie die Flüchtlinge, in einem Park in der serbischen Hauptstadt. Kermani berichtet von der Untätigkeit der Behörden und zeigt ganz konkrete Menschen, die sich auf der Flucht befinden: Etwa drei junge Afghanen, die in der Nähe der türkischen Stadt Assos in einem Waldstück festsitzen, nachdem sie Schleppern ihr Geld gegeben haben, aber um die Überfahrt nach Griechenland betrogen worden sind. Der Fotograf Moises Saman hat die Bilder dazu geliefert, Buch des Monats; einfach kaufen, lesen und jenen weitererzählen, die gegen die Aufnahme von Flüchtlingen agitieren.
Dazu ergänzend kann der Sammelband "Schleppen Schleusen Helfen" gelesen werden, der die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Tagung aus dem Jahr 2015 zum Thema versammelt. Der Untertitel spannt die Bandbreite der Darstellungen auf: "Flucht zwischen Rettung und Ausbeutung." Das im Mandelbaum-Verlag erschienene Buch setzt sich neben aktuellen Zugängen auch mit historischen Aspekten auseinander, etwa mit FluchthelferInnen für jüdische Flüchtlinge nach Buenos Aires. Ungewöhnlich: Simon Usaty, der als Musiker ("Protestant Work Ethic") die CD des Monats liefert, fungiert hier in seinem Brotberuf als Historiker gemeinsam mit Gabriele Anderl als Herausgeber.
Ebenso lesenswert ist die Biographie "Eva Perón. Leben und Sterben einer Legende", die von der Lateinamerika-Expertin Ursula Prutsch im C.H. Beck-Verlag veröffentlicht worden ist: Detailliert und kundig zeichnet Prutsch den Lebensweg der drittklassigen Schauspielerin Eva Duarte zur mächtigsten Frau - obwohl ohne Amt - Argentiniens nach und erzählt dabei auch die Geschichte des südamerikanischen Landes. Als Frau des Diktators Perón setzt sie sich für die Unterprivilegierten der argentinischen Gesellschaft ein und stirbt schließlich im Alter von 33 Jahren an Krebs. Auch ihr Sterben wird inszeniert und so ist es nur ein kleiner Schritt hin zur heiligengleichen Verehrung von "Santa Evita", von der nach ihrem Tod Heiligenbildchen wie es sie von der Mutter Gottes gibt, produziert werden. Eine erstaunliche Biographie, der mittels Musical und Hollywood - und nun auch durch dieses Buch - bereits Denkmäler gesetzt worden sind.
Rund 150 Menschen, die miteinander "Birth. School. Work. Death" grölen - würdiger kann man einen Ostermontag nicht begehen. Nach dem großartigen, eineinhalb-stündigen Konzert-Kraftakt von The Godfathers im Wiener Chelsea geht es nächste Woche hochkarätig weiter: Am Donnerstag den 7. April tritt Tanita Tikaram im Akzenttheater auf. Und wie beim Godfathers-Gig könnte es auch in diesem Fall so sein, dass Artist und Band miteinander gealtert sind - das ist schön.
„Deine Lieder lösen bei mir etwas aus“ – diesen Satz hat der Liedermacher Thomas Andreas Beck nach Konzerten schon oft gehört. Deshalb heißt sein neues Musikprogramm ‚Kopfkino’ – an erster Stelle stehen die Lieder und deren Dialekttexte. Den Abend hindurch bedient Beck eine weitere Textebene: Er liest Auszüge aus seinem Reisetagebuch, Ziel: Wien – Antarktis und retour.


An diesem Abend im Schutzhaus Zukunft wird Beck kongenial von Bernhard Krinner (git.) und Florian Paul Ebner (synth.) unterstützt. Wie im Film schlüpfen die drei Musiker in Figuren und entsprechende Kostüme und erzeugen archetypische Bilder: Krinner ist der Wendehals, Beck der Waldmensch, der in die Stadt gezwungen wird, zwischen Kapitalismus und Natur. Ebner gibt den listigen Pinguin – womit sich der Kreis zur Antarktis wieder schließt. Auch neue Lieder wie „Freude für Momo“ – 2015 mit Der Nino aus Wien, Ulli Bäer, Wilfried, Virginia Ernst u.v.m. aufgenommen – nähern sich live an Filmmusik an. Eben ‚Kopfkino.’ (jpl)


Gabriele Anderl, Simon Usaty (Hrsg.): "Schleppen Schleusen Helfen. Flucht zwischen Rettung und Ausbeutung" (8/10)
Boxer John: "Blighty And Beyond" (7/10)
Element Of Crime: "Wenn der Wolf schläft müssen alle Schafe ruhen" (7/10)
Kirsty McGee and The Hobopop Collective: "Those Old Demons" (9/10)
Navid Kermani: "Einbruch der Wirklichkeit. Auf dem Flüchtlingstreck durch Europa." (10/10)
Protestant Work Ethic: "Are Wading In The Shallows" (9/10)
Ursula Prutsch: "Eva Perón. Leben und Sterben einer Legende" (9/10)

Live:
Fr 01.04.16: Christian Masser, Am Berner, Bad Waltersdorf/STMK
Do 07.04.2016: Tanita Tikaram, Akzenttheater, Wien, 20h
Fr 08.04.2016: FrauenMusik: Raisa Kocacki/Beate Schwarzinger, Arenabar, 19:30h, Margaretenstr. 117, 1050 Wien
Sa 09.04.2016: DJ Kerido, Saal der Pfarre am Akkonplatz, Oeverseestraße 2c, 1150 Wien Fr 15.04.2016: ‚Kopfkino’ von Thomas Andreas Beck, Schutzhaus Schmelz, Verlängerte Guntherstraße, 1150 Wien, 20h
„Dead Letter Office“ - frei nach Herman Melvilles „Bartleby“-Erzählung, von Bernd Watzka: Di 12. 4. 2016 / Galerie VOTE (20h), 1060 Wien, Stumpergasse 34; Mi 13.04.2016: Simmeringer Bier- und Kulturschmankerl (20h) 1110 Wien, Simmeringer Hauptstraße 152; Do 15.4.2016 / Bezirksmuseum Josefstadt (20h) 1080 Wien, Schmidgasse 18; Eintritt: pay as you wish; Fr 16.4.2016 / Rampenlicht Theater (20h), 1180 Wien, Mitterberggasse 15; Mo 19.4.2016 / Jazzclub Mio (20h), 16., Schellhammergasse 22/Ecke Yppenplatz
Mi 20.04.2016: Nada Surf, WUK, Währinger Str. 59, 1090 Wien, 20h
Do 21.04.2016: Thorsteinn Einarsson, WUK, Währinger Str. 59, 1090 Wien, 20h
Von 21.4.-13.5.2016: Wean Hean 2016, Programm: www.weanhean.at
Do 28.04.2016: Lesung C. Schwetz, Musik: Novi Sad - 19h, WERKL IM GOETHEHOF, Schüttaustraße 1-39/6/R02, 1220 Wien
So. 01.05.2016: Birdy, Konzerthaus, Wien, 20h
Mo 09.05.2016: Satuo, local, Heiligenstädter Str. 31, 1190 Wien, 20h
Fr 08.07.2016: Element Of Crime, Marx-Halle, 20h