25 März, 2014

Joseph Roth: "Ich zeichne das Gesicht der Zeit"

Joseph Roth repräsentiert in seiner Biographie Alt-Österreich schlechthin: 1894 geboren in Galizien, als Sohn jüdischer Eltern, studierte er in Wien und in Lemberg (Lvov, in der heutigen Ukraine). Er ist Soldat im Ersten Weltkrieg und in der Zwischenkriegszeit lebt er als Journalist und Schriftsteller in Wien, Berlin und Paris. In Paris stirbt er schließlich im Alter von nur 45 Jahren in Armut und alkoholkrank.

Zentral- und Osteuropa

Der nun vorliegende Band könnte mit "Ich zeichne das Gesicht der Zeit" nicht treffender betitelt sein: Roth schreibt über heute vergessene Orte und Menschen, über 'Juden auf Wanderschaft' und ein Ost-Europa, das damals im Zentrum des Kontinents lag und das es heute ansatzweise noch immer gibt - in der Ukraine oder in der Rumänien.
Eindrücklich und stets mit den passenden Worten, zeigt sich Roth als einer der ganz großen Autoren, etwa wenn er über die jüdischen Händler an einem Bahnhof, irgendwo in seiner galizischen Heimat schreibt: "Alle diese Stationen sind eng, schmal, sie bestehen aus einem Trottoir und ein paar Schienen davor, der Bahnsteig sieht aus wie das Fragment einer Straße mitten zwischen Feldern. Als wäre es just die Straßenecke vor der Börse, so stehen hier jüdische Händler, schwarze und rothaarige. Sie erwarten niemanden, sie begleiten keinen Freund, sie gehen zur Bahn, weil es zum Beruf eines kleinen Händlers gehört, zur Bahn zu gehen, den ankommenden Zug zu sehen, die aussteigenden Leute, diesen Zug einmal im Tage, die einzige Verbindung mit der Welt, der ihren Lärm mitbringt und etwas von den großen Geschäften, die rund um den Globus abgeschlossen werden. Der Zug bringt deutsche Zeitungen aus Wien, aus Prag und aus Mährisch-Ostrau."

Historisches Dokument

Dieses Buch ist das literarische, historische Portrait einer Zeit, die inzwischen rund 100 Jahre zurückliegt. Und es ist die Erinnerung an einer der ganz großen Schriftsteller, Essayisten und nicht zuletzt Reporter des 20. Jahrhunderts, der einen Vergleich mit Hemingway nicht zu scheuen braucht. (jpl)

Joseph Roth: "Ich zeichne das Gesicht der Zeit. Essays, Reportagen, Feuilletons" (Diogenes: Zürich: 2013)
>> http://www.diogenes.ch

24 März, 2014

Robyn Hitchcock, Elliot Murphy, The Nits und Estrella Morente in Wien!

Im Jahr 2012 war er im Rahmen des Bluebird-Festivals in Wien zu Gast – übrigens an dem Abend, an dem auch Katrin Navessi programmiert war -, jetzt (24.03.2014) schaut der inzwischen 60jährige Robyn Hitchcock im Wiener Chelsea vorbei. Man darf sich auf einen opulenten Abend voller wunderbarer Melodien und Pop-Kunstliedern freuen. Die Kollegen von der Frankfurter Allgemeine Zeitung haben über Hitchcock geschrieben: "Hört man ihm zu, könnte man meinen, John Lennon sei bei Monty Python eingestiegen und Nick Drake und Syd Barrett hätten sich zum 5-Uhr-Tee in einem Gemälde von De Chirico verabredet." (FAZ)

Elliott Murphy beim Vienna Blues Spring

Auch bei diesem Mann treffen Erfahrung und Können wunderbar aufeinander: Elliott Murphy gastiert im Rahmen des Vienna Blues Spring am 28. März im Wiener Reigen. Murphy braucht den Vergleich mit Kollegen wie Bruce Springsteen, Tom Petty oder Patty Smith nicht zu scheuen. Sein 2011er-Album wurde hier hochgelobt, versammelt es doch klassische Rocksongs ("Poise 'n Grace") bester Güte. Das Konzert im Reigen zu besuchen, ist somit Pflicht!

The Nits & Estrella Morente

Und nach The Nits, die unpackbarerweise ihr 40jähriges Bestehen mit einer Tour feiern (1.4., Akzenttheater, Wien), gleich noch eine Empfehlung: Im Jahr 2011 war Estrella Morente erstmals im Wiener Konzerthaus zu Gast. Nun kommt sie am 10. April im Zuge der "Autoretrato"-Tour wieder nach Wien: Morente interpretiert den klassischen Flamenco auf ihre Weise, schon ihr Vater war Flamenco-Sänger. "Morente repräsentiert sowohl die Herkunft als auch des Flamenco als auch seine Zukunft", lobte einst die New York Times. Vamos a Konzerthaus! (jpl)

Mo 24.03.2014:Robyn Hitchcock, Chelsea, 1080 Wien, Gürtelbogen 29-30, 21h
Fr 28.03.2014: Elliott Murphy Band, Reigen, Hadikgasse 62, 1140 Wien, 20:30h
Di 01.04.2014: The Nits, Akzenttheater, Theresianumgasse 18, 1030 Wien, 20h
Do 10.4.2014: Estrella Morente, Wiener Konzerthaus, Lothringer Straße 3, 1030 Wien, Großer Saal, 21h

>> http://www.viennabluesspring.org
>> http://www.konzerthaus.at
>> http://www.akzent.at
>> http://www.chelsea.co.at


19 März, 2014

American Songbirds & Dancas Ocultas beim Akkordeonfestival

Es sind intensive Konzertwochen in Wien: Das Akkordeonfestival ist in vollem Gange und das Wean Hean-Festival steht bevor – und im April kommen noch The Nits, Estrella Morente und Eleni Mandell nach Wien, Ende Juni schaut auch Bob Dylan in Österreich vorbei.

Unter dem Motto „American Songbirds“ sind diese Damen am 15. März in der Wiener Sargfabrik aufgetreten: Kyrie Kristmanson, Rachelle Garniez, Stephanie Nilles und das Duo Ashia & the Bison Rouge. Der bunte Reigen wurde von Kyrie Kristmanson aus Ottawa eröffnet, alleine mit E-Gitarre und intensiver Bühnenpräsenz. Ashia aus Portland, Oregon hat mit Cello und Loopstation ausgerüstet für magische Momente gesorgt. Die polnisch-stämmige Musikerin hat auch in der Sprache ihrer Vorfahren gesungen und sich musikalische zwischen Ost-Europa und West-Coast bewegt.

Stephanie Nilles aus New Orleans

Im Süden der U.S.A., in New Orleans, lebt zurzeit Stephanie Nilles, sie gilt zu Recht als eine der talentiertesten MusikerInnen im Feld Jazz-Punk. Das hat ihr hochenergetischer Auftritt in der Sargfabrik klar gemacht. Die Akkordeonistin Rachelle Garniez hat für den lustigen und würdigen Abschluss dieses wunderbaren Konzertabends gesorgt, den man – dem Label Jaro sei es gedankt – auf der CD „American Songbirds - Women Singer-Songwriters from the New World“ nachhören kann, versammelt die CD doch je drei Lieder der Genannten.

Dancas Ocultas & Maria Joao

Im Akzenttheater haben Dancas Ocultas & Maria Joao in puncto Bühnenpräsenz nachgelegt: Die Perfektion, mit der die vier Herren von Dancas Ocultas auftreten, war unglaublich. Die Performerin Maria Joao hat die magischen Melodien der vier portugiesischen Akkordeonisten mit stimmlichen Farbtupfern verziert. Insgesamt war es ein rundum gelungener Abend, der wohl mehr von Dancas Ocultas getragen worden ist.

Finale Akkordeonfestival & The Nits

Schon am 1. April sollte man unbedingt wieder ins Theater Akzent gehen, wenn die niederländische Band The Nits dort eines ihrer seltenen Österreich-Gastspiele geben wird. Das gute an einem Hit ist, dass sich auch Nicht-Fans daran erinnern und diesen Bonus haben The Nits allemal: Wer kennt nicht „In The Dutch Mountains“? Eben!
Und dann kommt schon bald das Wienerlied-Festival „Wean Hean“ (24.4. bis 17.5.2014), das heuer zum 15. Mal stattfindet. In diesem Rahmen bespielt die Violinistin Julia Larcherstorfer mit drei verschiedenen Formationen am 30. April ebenfalls das Theater Akzent: Mit Alma, Ramsch & Rosen und Neuschnee. An diesem Abend präsentieren Ramsch & Rosen ihre neue CD „Bellver“, die gekonnt österreichische Traditionals und Eigenkompositionen im Stil von Traditionals aufbereitet.
In der Zielgeraden des Akkordeonfestivals warten noch einige Highlights: Die erste Abschlussgala am 22. März bestreiten Attwenger im Reigen, die Abschlussgala Nr. 2 bespielt Das Zieharmonische Orchester Wien im Metropol am 23. März, diese Formation um Otto Lechner versammelt gleichsam die besten heimischen AkkordeonistInnen, u.a. Heidelinde Gratzl von der Band Wienerglühn.
Für weitere Konzert-Highlights werden im April Estrella Morente im Wiener Konzerthaus (10. April) und Eleni Mandell (20. April, WUK) sorgen. Nach wean hean, am 20.5. werden Woven Hand mit neuer CD im Gepäck im WUK auftreten. Ach ja, schon mal zum Vormerken: Bob Dylan wird im Rahmen seiner never ending Tour am 29. Juni die Burg Clam in Oberösterreich bespielen! (jpl)

>> Akkordeonfestival
>> wean hean
>> WUK
>> www.konzerthaus.at

07 März, 2014

11x FrauenFilmTage Wien

Von 6. bis 13. März finden in Wien die FrauenFilmTage 2014 statt. Eröffnet wurde das Festival gestern mit dem Film “September” im Filmcasino. Heute geht es weiter, um 17h läuft der Film “Cast in Sand – Sahrauische Frauen sind widerständig”, diese Dokumentation zeigt den Überlebenskampf von Frauen in einem Flüchtlingslager in Algerien.

Inmitten der Wüste sehnen sich Najla und Agaila nach Freiheit, Gerechtigkeit und Zufriedenheit. Flucht war ihr einziger Ausweg, um der brutalen Besetzung der Westsahara durch Marokko zu entkommen. Auf erstaunlich innige Art offenbaren sich dem Zuseher schrittweise die zwei unterschiedlichen Geschichten und Lebenswege. Im Anschluss an den Film stellt Gundi Dick, Politikwissenschafterin und seit vielen Jahren im frauen- und entwicklungspolitischen Bereich tätig, ihr neues Buch „Eine Hand alleine kann nicht klatschen“ über die sahrauischen Frauen in den besetzten Gebieten und in den Flüchtlingslagern vor und lädt mit Fatma Sidi zur Diskussion ein. Am 11. März läuft mit “Red Wedding” eine Dokumentation über kambodschanische Frauen, die sich mit der Ära Pol Pots beschäftigt.

Personale Elisabeth Scharang

Die Personale ist heuer der Film- und TV-Regisseurin, Drehbuchautorin und Moderatorin Elisabeth Scharang gewidmet. Zwischen 2006 und 2011 wurde Scharangs Filmschaffen fast jährlich mit einem Preis belohnt: Im Jahr 2011 erhielt sie den Axel-Corti-Fernsehpreis. Einer ihrer bekanntesten und mehrfach ausgezeichneten Fernsehfilme ist das Doku-Drama „Franz Fuchs - Ein Patriot“. Zur Zeit bereitet Elisabeth Scharang ihren zweiten Kinospielfilm vor, der im Herbst gedreht wird und sich mit dem Dichter und Frauenmörder Jack Unterweger auseinander setzt.

Lounge mit Magdalena Piatti und Katrin Navessi

Erstmals gibt es im Rahmen der FrauenFilmTage auch eine Festival-Lounge, in der DJs aufgelegen. Am 7. und 8. März, dem internationalen Frauentag, gibt es in diesem Rahmen auch Live-Musik von zwei österreichischen Singer-SongwriterInnen: Magdalena Piatti und Katrin Navessi (Jeweils um 21h, mica, Stiftgasse 29, 1070 Wien) Die Lounge befindet sich somit ganz in der Nähe des Kinos am Spittelberg, einem der Hauptspielorte der elften FrauenFilmTage. Hingehen! (jpl)

>> Programm: www.frauenfilmtage.at
>> www.magdalenapiatti.com
>> www.katrinnavessi.net

03 März, 2014

Hot News März 2014

Eine wunderbare CD liefert Andrea Schroeder ab: Auf "Where The Wild Ocean Ends" ist Schroeder stimmlich irgendwo zwischen Zarah Leander und Nico angesiedelt. Die Lieder holen sich ihre Grundstimmung vom Chanson, haben einen zarten Einschlag in Richtung Country oder schlagen manchmal á la Neil Young ordentlich in die E-Gitarre. Anspieltipp: "Streets Of Berlin". Mittendrin findet sich auch ein Cover aus David Bowies Berliner Zeit: "Heroes", in diesem Fall ins Deutsche übertragen ("Helden"). Betörend. Diese Sache ist rund, diese Sache ist klar: CD des Monats!
Auf die jazzige Seite ist Simone Kopmajers "The Best In You" gefallen: Die österreichische Sängerin, die im Ausland bekannter ist als hier, mischt eigene Stücke mit Klassikern wie "Blue Bayou" oder Jimmy Webbs "Wichita Lineman", ein Lied das auch Kollegin Cassandra Wilson schon gecovert hat. Was nur unsere alte Theorie bestätigt, dass irgendwann jeder zur Country-Music findet. Laid back gibt sich Kopmajer und sie hat sich für diese angenehme Stunde der Entspannung u.a. Wolfgang Puschnig ins Studio geholt. Well done!
Eine weiten Bogen spannt der Putumayo-Sampler "A Jewish Celebration": Los geht die Reise in den U.S.A., mit einem Stück von Alisa Fineman, das den darauf folgenden Eklektizismus wunderbar andeutet: Fineman singt in spanischer Sprache "Ocho Kandelikas". Weitere Stationen sind Uganda, Argentinien, Kanada und Deutschland (Karsten Troyke mit "Dus Gezang Fin Mayn Harts"), musikalisch ist bei dieser jüdischen Feier zum Klezmer hinzu auch die Einbindung von Reggae und Ska kein Problem.
Zart ist dagegen die Kompilation "American Acoustic", die in gewohnter Putumayo-Qualität bewährte Artist und Newcomer versammelt, so gibt es hier u.a. feine Lieder von Jeffrey Foucault, Buck Howdy und Doc Watson zu hören.
Live-Tipps: Das Akkordeonfestival ist gerade in vollem Gang, nach dem wunderbaren Konzert von Ricardo Tesi im Stadtsaal geht es diese Woche schon mit Chango Spasiuk (6.3. Sargfabrik) weiter und am 18.3. bespielen die großartigen Dancas Ocultas aus Portugal das Akzenttheater. Einfach hingehen. Am Dienstag den 4.3. spielt Maria Taylor, eine Hälfte von Azure Ray im Haus der Musik - absolute Empfehlung!
Und: Von 6. bis 12.3. laufen die FrauenFilmtage in Wien, erstmals gibt es auch eine Festivallounge, in der am 7.3. Magdalena Piatti (anschl. DJ Andromeda) und am 8.3. Katrin Navessi (anschl. DJ Kerido) auftreten werden, jeweils ab 21h, Stiftgasse 29, 1070 Wien. (jpl)

Simone Kopmajer: "The Best In You" (8/10)
Andrea Schroeder: "Where The Wild Ocean Ends" (10/10)
VA: "Acoustic America" (8/10)
VA: "A Jewish Celebration" (8/10)
>> Akkordeonfestival
>> FrauenFilmtage
>> Maria Taylor live, Haus der Musik 20h