07 Mai, 2012

Zu Unrecht liegen Gebliebenes (05/2012)

Beth Jeans Houghton ist kein normaler Popstar, der sich anschickt die Welt mittels Musik zu erobern: Glaubt man der Presseinfo, dann ist sie mehr eine Seherin, die mit der seltenen Krankheit Synästhesie geboren wurde, dadurch nimmt sie Zahlen, Worte und sogar Musik als eine Abfolge von Farben wahr. Dass sie mit Autoritäten wie Schule (letztlich geschmissen) deshalb auf Kriegsfuß steht, verwundert nicht. Houghton kauft sich mit 15 eine Fender Stratocaster und legt nun mit 21 Jahren ihr Debütalbum vor, es ist ein Album wie ein trip - obgleich ein good trip, Suchtgefahr inklusive: Singer-Songwriting mit außergewöhnlichen Arrangements gibt den Unterboden für Houghtons klare Stimme. Ein verspieltes Album, das auch mal eine Querverbindung zur klassischen Musik hinzieht und sich herrlich abseits von allen Pop-Mechanismen präsentiert. Bunt und außergewöhnlich.
Man kann seiner Zeit voraus sein oder hinterher hinken - im paradoxen Fall der nächsten CD gilt beides. Der Sampler "Celtic Christmas" versammelt Weihnachtslieder, die auch an einem trüben Tag im Mai funktionieren. So dezent und sorgsam aufbereitet kommen die 11 Stücke daher, dass man getrost von zeitlos sprechen kann - und daher ist der Hinweis auf diesen fein befüllten Sampler als Vorabinfo zu sehen - alle Jahre wieder, eh schon wissen.
Die nächste CD am Stapel ist im August 2011 erschienen und stammt von Zwanie Jonson, der singt lustigerweise gleich am Beginn des ersten, den Album-Titel gebenden, Songs "I like rain on christmas-eve" (siehe einen Absatz höher). Der Schlagzeuger Jonson (Die Fantastischen Vier, Fettes Brot) ist ein Tausendsassa, der seine eigenen Songs auch selbst aufnimmt und produziert: Sehr relaxed kommt diese 10-Song-Sammlung daher, die Presseinfo spricht von JJ Cale, spätestens beim Song "Moonmad" schiessen Vergleiche zu Bill Pritchard oder Tom Verlaine durch den Rezensentenkopf - nicht die schlechtesten Referenzen. "Golden Song" (Track 6) ist ein toller nach vorwärts drängender Pop-Song, zum Verkürzen der Wartezeit bis zum nächsten Weihnachtsfest somit bestens geeignet.
Den perfekten Soundtrack für urbane Slacker schaffen VCMG, die früher gemeinsam bei Depeche Mode werkten: Martin L. Gore und Vince Clarke bleiben bei ihren Leisten, schaffen Musik für die Zeit zwischen 1 und 4 im Elektroschuppen, in der man zu jeder Musik einfach tanzen muss und so heißt es zu VCMG anno 2012: Ab auf den Dancefloor und woki mit'n popo! (jpl)

Beth Jeans Houghton: "Your Truly, Cellophane Nose" (Mute/GoodToGo, 8/10)
Zwanie Jonson: "I'm A Sunshine" (staatsakt/Mute, 8/10)
VA: "Celtic Christmas" (Putumayo/Hoanzl, 8/10)
VCMG: "SSSS" (Mute, 6/10)