27 November, 2008

Franz Kafka: Die Verwandlung (dtv)

In der dtv-Bibliothek der Erstausgaben ist vor kurzem Franz Kafkas "Die Verwandlung" in einer bibliophilen Neuauflage erschienen.

Der Originaltext von "Die Verwandlung" wurde erstmals im Jahr 1915 in Leipzig verlegt und damals auf 1916 vordatiert. Schon der erste Satz der Erzählung ist berühmt: "Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt." Die Geschichte ist zwar bekannt, wie Woody Allen aber einmal gesagt hat, lässt sich in den Klassikern immer wieder Neues entdecken. Insofern ist auch die wiederholte Lektüre von Die Verwandlung zu empfehlen. Kafka schrieb einst in einem Brief, er wäre mit dem Schluss von "Die Verwandlung" nicht ganz zufrieden.

Aufwändige Neuauflage

Insbesondere in der nun vorliegenden aufwändigen Neuauflage in der dtv-Bibliothek der Erstausgaben, die bisher rund 70 Titel versammelt: Klassiker von Adalbert Stifter und Theodor Storm bis Kurt Tucholsky und Arthur Schnitzler. Außerdem: Goethe, Hölderlin, Storm, Fontane, Grillparzer, Büchner, Brentano, Kleist, Rilke, Schiller etc. In den gebundenen Büchern mit Silberprägung ist neben dem Originaltext jeweils ein umfangreicher Anhang zur Textgestalt enthalten. Die Zeittafel gibt einen Überblick zum Leben des Autors, ein Glossar ist ebenfalls inkludiert.

Sieben Verfilmungen

Übrigens: Schon beim Lesen von "Die Verwandlung" erfährt man, dass anno 1915 Sofa so geschrieben wurde: Sopha. An seinen Verleger Kurt Wolff hat Kafka damals - zu Recht - geschrieben: "Das Insekt kann nicht gezeichnet werden". Das Insekt, in das sich Gregor Samsa verwandelt, sollte nur in der Fantasie der LeserInnen bestehen. Die Erst- wie die Neuauflage enthalten auch keinerlei Umschlagzeichnungen, aber "Die Verwandlung" wurde inzwischen sieben Mal verfilmt. (jpl)

Franz Kafka: "Die Verwandlung" (dtv: München: 2008), 119 Seiten, €9,90
>> www.dtv.de

13 November, 2008

Eläkeläiset: Humppa United (Humpaa, Indigo)

Die agilen Rentner aus dem hohen Norden haben wieder 1x zugeschlagen. Seit beinahe fünfzehn Jahren arbeiten die Finnen, mittlerweile wieder zu fünft, unermüdlich an der Humppaisierung der Welt, und haben offensichtlich großen Spaß dabei. Doch selbstlos wie sie sind, teilen sie diesen -wie auch den Alkohol- gerne mit uns. Nach überaus gelungen Exkursen (sprich Eigenkompositionen) wandelt die skandinavische Rentnergang, mit ihrem neuen Album Humppa United wieder auf vertrautem Terrain. Doch so ganz stimmt das auch wieder nicht. Statt bekannte Hits ins Humppauniversum auf zu nehmen und somit an hörbar zu machen, versuchen sie hier eher unbekannteres Liedgut zu erschließen. Der Quizfaktor wird dadurch erheblich gesteigert. Humppaneulingen würde ich zwar als Einstieg ein anderes ihrer zahlreichen Alben empfehlen. Sonst wie (fast) immer großartig. Damit muß Mann(Frau) sicher nicht alleine trinken. Humppa forever! (mhl)

08 November, 2008

Leo Perutz: Der Meister des Jüngsten Tages (dtv)

dtv verlegt Leo Perutz’ spannenden Roman “Der Meister des Jüngsten Tages“ neu.

Den Qualitätszugang zum Genre Krimi ermöglicht der österreichische Autor Leo Perutz mit “Der Meister des Jüngsten Tages“ aus dem Jahr 1923. Ein Buch, das für Perutz den Durchbruch als Autor bedeutet hat.
Doch der Reihe nach; der Plot ist schnell erzählt: In Wien geschehen mehrere mysteriöse Todesfälle. Sind es Morde? Oder werden Menschen auf unbekannte Weise in den Selbstmord getrieben? Eines der Opfer stammelt als letzte Worte etwas vom “Der Meister des Jüngsten Tages“. Auch der Schauspieler Eugen Bischoff kommt auf tragische Weise ums Leben – sein in diesem Moment im Haus versammelter Freundeskreis macht sich sodann auf die Suche nach des Rätsels Lösung. Um die Spannung des Buches zu erhalten, sei sie an dieser Stelle nicht verraten.

Spannung bis zum Schluss und Lokalkolorit

Perutz erzählt die Story sehr flüssig und mit leichter Hand. Langeweile kommt auf den knapp 200 Seiten nie auf. Gerne taucht man in das Wien des Jahres 1909 ein; Perutz Figuren – u.a. Doktoren, Ingenieure und Barone – verfügen in ihren Wohnung über Bibliotheken, lassen einander Nachrichten zukommen, machen miteinander Kammermusik und fahren auf Sommerfrische. Noch vor dem Dritten Mann verfügt “Der Meister des Jüngsten Tages“ über Lokalkolorit: Perutz erzählt von einer Apotheke in der Myrthengasse, die es heute nicht mehr gibt und von anderen noch bestehenden Gassen und Plätzen der Innenstadtbezirke.
Die Neuauflage bei dtv bietet die Gelegenheit das Hauptwerk eines Autors wieder zu entdecken, von dem Walter Benjamin die “kräftig rhythmisierten und synkopierten Erzählungen“ lobte. Jose Luis Borges hat “Der Meister des Jüngsten Tages“ einst zu Recht in eine Edition der besten Kriminalromane des 20. Jahrhunderts aufgenommen. (jpl)

Leo Perutz: “Der Meister des Jüngsten Tages“ (dtv: Müchen: 2008)
205 Seiten, €9,50

>> www.dtv.de

07 November, 2008

Kontrastprogramm: Sensenberg Feeling (Eigenverlag)

Der Bandname ist (Kontrast)programm: Denn die Drei-Mann-Band vertraut zwar einerseits auf die klassische Kombination Bass, Gitarre und Schlagzeug. Doch außer auf Rock verweisen einige Songs in Richtung Punk, andere deuten auf Hardcore hin - in diesem Fall sind die stimmlichen Qualitäten ausbaufähig, wie der Bassist eingesteht. Gut: Zuweilen werden O-Ton-Schnipsel integriert, darauf verzichtet die Band auch auf der Bühne nicht. Das Stück "Sepp Mayer" erinnert an ein Kinderlied, darin heißt es: "Oh du armer Sepp, was bist du für ein Depp." Ob der ehemalige deutsche Fußballtorhüter Sepp Mayer gemeint ist? An den erinnert man sich vor allem deswegen: EM-Finale 1976; Tschechoslowakei gegen Deutschland. Es kommt zum Elfmeterschiessen. Antonin Panenka läuft an, schickt Goalie Mayer ins Eck und schupft den Ball in die Mitte des Tores. Tschechoslowakei ist Europameister; Antonin Panenka gibt sich sein eigenes Kontrastprogramm und wechselt in den Westen - zu Rapid Wien. (jpl)

05 November, 2008

Sylke Tempel: Israel (rowohlt)

Die Autorin Sylke Tempel hat jahrelang als Korrespondentin aus Israel berichtet. In ihrem nun vorliegenden Reisebuch gibt sie spannende Einblick in die seit 60 Jahren bestehende israelische Gesellschaft.

Sylke Tempel ist eine Wissende: Acht Jahre lang hat sie für deutschsprachige Medien aus Israel berichtet. Ihr Reisebuch "Reise durch ein neues altes Land" beschäftigt sich natürlich auch mit den politischen Gegebenheiten der Region - diese auszuklammern wäre in einem Buch über Israel vermutlich gar nicht möglich und schlicht Realitätsverweigerung. Doch sie beschreibt Israel abseits der Fernsehrealität von palästinensischen Selbstmordattentätern und radikalen jüdischen Siedlern. Tempel hat sich über die Jahre eine der wichtigsten journalistischen Grundtugenden erhalten: Neugier. So schreibt sie, dass sie viele ihrer im Buch dargestellten GesprächspartnerInnen zufällig getroffen hat. Auf Märkten in Jerusalem, in Restaurants in Tel Aviv, an einer Straßenkreuzung irgendwo zwischen Hebron und Jerusalem. Sie erzählt von alteuropäischen Auswanderer, doch die werden immer weniger. Israel ist seit seiner Gründung ein Einwanderungsland, früher insbesondere für Juden aus aller Welt, heute kommen auch Nicht-Gläubige Einwanderer ins Land: Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs sind rund 400.000 OsteuropäerInnen hierher gekommen, vor allem aus der ehemaligen Sowjetunion.

Einwanderungsland und High-Tech

Sie sind Teil jener neuen Generation Israels, die sich nicht um politische und religiöse Konflikte kümmern will, sondern einfach ein gutes Leben führen will. Fuhren in den 1980er-Jahren noch hauptsächlich Autos der Marke Polski Fiat durch die Straßen, sieht man heute alle westlichen Marken. Israel ist inzwischen zu einem High-Tech-Land geworden, das sich stark entwickelt hat und gleichzeitig über eine der schlagkräftigsten Armeen der Welt verfügt.
Tempel beschreibt bewusst auch diese sich wandelnde Seite Israels - von ehemaligen Soldaten, die eine Friedens-NGO gründen; von der Leichtlebigkeit Tel Avivs und der Enge Jerusalems - und von der Bedrücktheit des Lebens in den besetzten Gebieten. Sie beschreibt die Arbeit der israelischen SoldatInnen, die in den Palästinenser-Gebieten auf der Suche nach Selbstmordattentätern auch mal mitten in der Nacht in Häuser eindringen und neben geschockten Kindern junge Männern verhaften. Im Anhang hat die Autorin eine Zeittafel integriert, die die historischen Zusammenhänge noch einmal klar machen. Ein lesenswertes Buch - das im Jahr 60 des Bestehens von Israel interessante Einblicke gibt: In ein neues altes Land. (jpl)

Sylke Tempel: Israel. Reise durch ein neues altes Land. 254 Seiten (rowohlt: Berlin: 2008), €19,90
>> www.rowohlt.de

04 November, 2008

Jules Verne: Von der Erde zum Mond (dtv)

Jules Vernes Roman »Von der Erde zum Mond« liegt nun in einer neuen Übersetzung und mit den Illustrationen der französischen Originalausgabe vor.

Im Untertitel heisst Vernes Roman aus dem Jahr 1868 »Direktflug in 97 Stunden und 20 Minuten«. Diese Angabe steht programmatisch für das ganze Buch: Denn Verne genügt es hier nicht, sich im Genre Science Fiction zu bewegen. Es scheint, als wollte er die aus damaliger Sicht wohl völlig irreale Vorstellung einer Reise zum Mond durch wissenschaftliche Daten realistischer machen. Verne stellt zunächst die bisher gewonnenen Erkenntnisse über den Mond dar, in bester Science Fiction-Manier geht es in weiterer Folge um die Planung der Mondreise durch einen Zirkel Bostoner Honoratioren: Verne stellt Berechnungen und Überlegungen der Protagonistinnen detailliert dar.

Science & Fiction

Außerdem integriert Jules Verne einen fiktiven Briefwechsel mit der Universität Cambridge in seinen Text, der erklärt, welcher Zeitpunkt im Jahr für die Reise besonders günstig ist. Schliesslich geht es um die Festlegung eines Startort – die Wahl fällt auf Florida, von wo auch real Raketen gestartet sind: In Cape Canaveral. Penibel schildert Verne die Herstellung des Fluggefährtes, eine Art Kapsel, in der auch Reisende Platz finden. Denn als ein abenteuerlustiger Franzose in Florida eintrifft, wird rasch klar, dass es keine unbemannte Reise sein würde. Das überraschende Ende möge jede LeserIn selbst entdecken!

Aufwändige Neuauflage

In der Neuübersetzung von Volker Dehs ist »Von der Erde zum Mond« ein aufwändig aufbereitetes Taschenbuch: Die Originalillustrationen aus dem 19. Jahrhundert sind in den Romantext eingebaut. Sprachlich merkt man dem Buch sein Alter natürlich an, doch Verne vermag auch nach 140 Jahren immer wieder ein Schmunzeln zu erzeugen, etwa wenn er den Guss der riesigen Kanone beschreibt, die die Mondkapsel abschiessen wird. Beim Guss kommt es zu Rauchentwicklung, Verne schreibt: »Wilde, die vielleicht am Horizont herumirrten, hätten glauben können, der Bildung eines neuen Kraters mitten in Florida beizuwohnen...()...« Ein rund einhundert Seiten langer Anhang gibt - ähnlich genau wie Jules Verne die Vorbereitungen zur Reise - literaturwissenschaftliche und bibliographische Hinweise, eine Zeittafel bildet Jules Vernes Leben ab. In dieser nun vorliegenden Ausgabe ist »Von der Erde zum Mond« somit viel mehr eine Neuauflage. Übrigens: Initiator des Mondfluges ist ein Zirkel von Bostoner Honoratioren, der sich Gun Club nennt – von hier hat also Jeffrey Lee Pierce seinen Bandnamen entlehnt! (jpl)

Jules Verne: »Von der Erde zum Mond« (dtv: München: 2008), 350 Seiten, 9,90 Euro
>> www.dtv.de

Trafo: Trafism (Extraplatte)

Ein interessantes Unterfangen der Herren Janka, Jelinek, Pabst und Preuschl, besser bekannt als Trafo: Mit ihren vier Gitarren nehmen sich Trafo die Kennmelodien von Fernsehserien und Film-Smashhits vor. Vom Eröffnungsstück »Die Maus auf dem Mars« bis zum finalen »La Boum«, von The Munsters bis Knight Rider. Zum Teil sind die Stücke noch gut erkennbar, oft fügen Trafo den Hauptthemen eigene Themen hinzu, zur Magnum-Titelmelodie gesellt sich so z.B. das Ferrari 308 GTS-Thema. Sie führen die Musik in ihr eigenes Universum über, sagen Trafo. Stimmt, also einfach eintauchen und nach dem Hören die alten Videocasetten wieder hervorkramen. Auch Danny Elfmans Sledgehammer!-Thema ist hier vertreten und erinnert an den fast vergessenen Brachial-Cop der 1980er-Jahre. Eindeutige Empfehlung! (jpl)